Welches Flussmittel ist das richtige für mich?
Ein Flussmittel ist essenziell für eine gute Lötverbindung. Am Markt gibt es viele Produkte, sodass ein unerfahrener Käufer relativ schnell den Überblick verliert. Es gibt Produkte von namenhaften deutschen Herstellern genauso wie No-Name Produkte aus China. Seit 20 Jahren löte ich selbst, seit 7 Jahren davon in industrieller Umgebung. In der Zeit habe ich viele Produkte ausprobiert und möchte mein Wissen hier mit meinen Lesern teilen. Doch zunächst einmal etwas Theorie:
Was passiert beim Löten?
Vereinfacht gesagt haben wir beim Löten unterschiedliche Werkstücke, die wir mit einer Lötverbindung mechanisch und elektrisch verbinden. Das können im einfachsten Fall die Einzeldrähte einer Litze sein, die wir mit einander verbinden oder Through The Hole, SMD, BGA Bauteile die wir auf eine Platine auflöten.
Das Lot hat beim Löten die Funktion, den Zwischenraum zwischen den Werkstücken zu füllen und sie mechanisch, elektrisch und thermisch miteinander zu verbinden. Das Lot geht dabei an den Oberflächen der Werkstücke eine Legierung mit dem Metall ein. In der Praxis taucht jedoch immer ein Problem auf. Die Werkstücke befinden sich oft über eine längere Zeit an der Luft. Die Oberfläche oxidiert dabei. Und sobald man mit dem Lötkolben die Oberfläche erhitzt, oxidiert sie noch mehr und zwar innerhalb von Sekunden. Die Oxidationsschicht verhindert, dass das Lot mit der Oberfläche des Werkstücks eine Legierung eingehen kann. Dann hat man Lötergebnisse, wie auf dem Bild rechts zu sehen ist.
Genau hier setzen die Flussmittel an. Die Haupt-Funktion eines Flussmittels ist, durch eine chemische Reaktion die Oxidationsschicht zu entfernen und dafür zu sorgen, dass während des Lötens keine neue Oxidationsschicht entsteht.
Eine weitere Funktion von Flussmitteln ist, die Grenzflächenspannungen herabzusetzen. Dadurch entstehen dann bessere und haltbare Lötstellen.
Braucht man extra Flussmittel?
Ein moderner Lötdraht hat heute mindestens eine Seele (oft sogar mehrere Seelen) mit Flussmittel, in der Regel sind es 2,5%. Führt man beim Löten das Lötdraht zu den Bauteilen, die man löten möchte, dann schmilzt das Lot und gibt das Flussmittel frei. Das Flussmittel verbrennt bzw. verdampft dann mit einer Rauchfahne.
Genau hier wird das Problem deutlich. Ist das Flussmittel verbrannt, dann wirkt es nicht mehr, weil es eben nicht mehr da ist. Das Oxidationsproblem ist aber immer noch da. Insbesondere beim Löten von SMD-Bauteilen oder beim Löten mit bestimmten Löttechniken (z.B. Drag Soldering) fehlt einem in der Regel Flussmittel. Und genau da kommt zusätzliches Flussmittel ins Spiel. Das wird dann einfach direkt auf die Lötstelle gegeben. Und sobald man mit dem Lötkolben in die Nähe der Stelle kommt, wird es durch die Hitze aktiviert.
Clean oder No-Clean Flussmittel?
Wie Sie oben bereits erfahren haben, entfernt ein Flussmittel die Oxidationsschicht der Bauteile oder Platinen, die man löten möchte. Das passiert durch eine chemische Reaktion. Und damit Sie beim Loten nicht lange warten müssen, bis die Oxidationsschicht entfernt wurde, muss ein Flussmittel aggressiv sein. Dafür enthält es diverse chemische Bestandteile.
Ein Flussmittel kann in der Regel nicht vollständig verdampfen bzw. verbrennen, sondern hinterlässt Reste bzw. Spuren auf der Platine oder dem Bauteil. Diese Reste verbleiben dann dauerhaft auf der Platine, wenn die Platine nicht gesäubert wird. Einige Flussmittel sind so aggressiv bzw. korrosiv, dass sie über Kurz oder Lang – je nach Flussmittel – die Lötverbindung, Bauteile oder die leitenden Schichten auf der Platine angreifen und auflösen können. Um das zu verhindern, muss das Flussmittel entfernt werden. Wie das funktioniert, erfahren Sie später in diesem Artikel.
No-Clean Flussmittel können im Gegensatz zu den Clean Flussmitteln auf der Platine verbleiben, weil diese nicht korrosiv Wirken. Dennoch macht es Sinn, Flussmittel möglichst zu entfernen, wobei das bei BGA-Chips nicht so einfach möglich ist.
Ist Kolophonium ein Flussmittel?
Was ist Kolophonium? Kolophonium ist ein Baumharz, es wird in verschiedenen Formen verkauft. Entweder in einem Block oder als Granulat. Leider lässt diese Form es nur schlecht zu, Kolophonium auf einer Platine zu verteilen. Deshalb ist Kolophonium in einem Block eigentlich nur dazu geeignet, um Leiter mit Lot zu benetzen.
Alternativ dazu kann Kolophonium in einem Alkohol aufgelöst werden. Die Flüssigkeit kann dann als Flussmittel verwendet werden. Leider ist dieses selbstgemachte Flussmittel kaum mit den modernen heute verfügbaren Flussmitteln vergleichbar. Wir raten deshalb davon ab, selbst so ein Flussmittel herzustellen.
Welches Flussmittel sollte man kaufen?
Der Flussmittel-Markt ist leider sehr unübersichtlich. Hinzu kommt noch, dass Fälschungen aus China über die üblichen Plattformen vertrieben werden. Flussmittel werden in der Regel mit einer Haltbarkeit von ca. einem Jahr verkauft. Ein Marken-Flussmittel lässt sich darüber hinaus auch noch Problemfrei nutzen.
Als erstes muss man sich damit beschäftigen, wofür man das Flussmittel verwenden möchte. Ein Flussmittel zum Löten von BGA-Chips muss beim Durchlaufen eines Lötprofils Höchstleistungen vollbringen. Je nach Profil muss das Flussmittel bis zu 400 Sekunden aktiviert bleiben ohne dabei zu kochen und den Chip hochzuheben. Ein Flussmittel zum Through The Hole Löten muss es dagegen nicht. Dementsprechend ist es im Preis deutlich günstiger.
Ein weiterer Unterscheidungsfaktor ist die Basis des Flussmittels – also der „Wirkstoff“. Flussmittel ist klassifiziert nach J-STD-004 bzw. DIN EN 61190-1-1
Des Weiteren gibt es eine Einteilung in die Typen, wobei der erste Buchstabe für die Aktivität steht:
- L0: Absolut keine Korrosion, No-Clean
- L1: Absolut keine Korrosion, aber halogenhaltig, No-Clean
- M0: Geringfügige Korrosion, Clean und No-Clean
- M1: Geringfügige Korrosion, halogenhaltig, Clean und No-Clean
- H0: Größere Korrosion, Clean
- H1: Größere Korrosion, halogenhaltig, Clean
Beim Löten von Elektronik verwendet man üblicherweise entweder niedrig bis mäßig aktivierte Flussmittel. Moderne Hochleistungs-Flussmittel fürs BGA-Löten bestehen aus einer Vielzahl von Komponenten und lassen sich nur schwer in die Kategorien einteilen.
Unsere Empfehlung:
Wie beim Lot hat auch beim Flussmittel jeder seine Vorlieben. Nach ausführlichen Tests in den letzten Jahren haben sich drei No-Clean Flussmittel herauskristallisiert, die wir empfehlen können. Das ist einmal das Ersa FMKANC. Das FMKANC ist eine weiße Paste, es hinterlässt kaum sichtbare transparente Rückstände, die nicht korrosiv sind und sich leicht entfernen lassen.
Ein weiteres Flussmittel ist das AMTECH NC-559. Das NC-559 ist eine hellgelbe Paste, die ebenfalls kaum sichtbare transparente Rückstände hinterlässt. Bei längerer Hitzeeinwirkung verfärben sich die Rückstände leicht braun.
Das dritte Flussmittel ist von deutschen Hersteller Martin. Es ist ein leicht gelbliches Flussmittel, das ebenfalls kaum sichtbare transparente Rückstände hinterlässt.
Diese Flussmittel sind alle nicht günstig, lassen sich aber für viele Zwecke einsetzen. Eine Spritze mit Ca. 5ml Flussmittel kosten etwa 20-30€. Insbesondere beim SMD-Löten und Rework punkten diese Flussmittel gegenüber den Flussmittelstiften, die auch etwa 7-10€ kosten. In einer solchen Spritze ist jedoch viel mehr Inhalt. Dadurch dass man beim Löten nur kleine Mengen verwendet, reicht eine solche 5ml Spritze oft Jahre. Und wer ein Mal mit einem solchen modernen Flussmittel gearbeitet hat, der wird ganz sicher kein anderes mehr verwenden wollen.
Sind Flussmittel-Dämpfe Gesundheitsgefährdend?
Das ist ein sehr schwieriges Thema. Fakt ist, dass beim Löten die Dämpfe des Flussmittels – egal ob im Lötdraht oder extra zugegebenes – entstehen und der Lötende diese einatmet. Ob diese Dämpfe gesundheitsgefährdend oder gar krebserregend sind oder nicht, mag ich nicht beurteilen. Ganz sicher werden diese Dämpfe nicht gesundheitsfördernd sein.
Beim industriellen Löten verwenden wir eine Absauganlage, die Lötdämpfe von den Arbeitsplätzen absaugt und durch einen Filter reinigt. Sicher kann man jetzt von einem Hobby-Elektroniker nicht erwarten, dass er sich ein solches Gerät kauft. Allerdings gibt es durchaus effektive Alternativen dazu. Im Bild unten sehen Sie ein einfaches selbst gebautes Gerät, bestehend aus zwei Lüftern aus einem ausgemusterten PC. Über ganz normale Labor-Kabel mit Bananenstecker können diese Lüfter an einem Labor-Netzteil betrieben werden. Der Luftstrom sorgt dafür, dass die Lötdämpfe vom Arbeitsplatz wegkommen. Zwar sind diese immer noch im Raum, allerdings atmet der Lötende diese nicht direkt ein.
Flussmittel aus China
Leider gibt es auf dem Markt nicht nur die Original-Produkte, sondern Plagiate aus China. Es gibt mittlerweile sogar Plagiate des Plagiats. Ein solcher Plagiat zeichnet sich dadurch aus, dass die Wirkung deutlich schlechter ist, als beim Original. Eine Spritze mit Flussmittel-Plagiat kostet in China ca. 1 USD. Deshalb können Sie schon am Preis erkennen, ob Sie ein Original-Produkt bestellen oder nicht.
Ein weiteres Problem ist die Gefährdung durch das Flussmittel. In einem Flussmittel sind gewisse Chemikalien enthalten. Beim Löten steigen die Dämpfe dieser Chemikalien in die Luft und werden eingeatmet. Bei einem Original-Produkt können Sie anhand des Sicherheitsdatenblatts jederzeit ganz genau nachschauen, was in dem Flussmittel enthalten ist. Bei einem Plagiat wissen Sie nicht, was Sie einatmen, wenn Sie mit dem Flussmittel arbeiten.
Bitte verwenden Sie deshalb keine Fake-Flussmittel aus China!